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Fachbeitrag: Datenschutz als Wachstumsbremse?
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„Datenschutz erschwert oder verhindert die werbliche Ansprache und Kunden-Akquisition!“ – stimmt diese Aussage? Ein Fachbeitrag von Carsten Bruns, Consultant Datenschutz bei SK-Consulting Group GmbH

Regelmäßig behandeln wir in den Anfragen unserer Mandanten Themen, die sich im Spannungsfeld von Datenschutz und werblicher Ansprache bewegen. Dabei kann – wiederum auch regelmäßig – festgestellt werden, dass den meisten Verantwortlichen die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ihrer geplanten Handlungen gültigen Rechtsvorschriften nur ungenügend, bis gar nicht bekannt sind. Bei Besprechungen mit Werbe- und Marketingverantwortlichen sowie Vertriebsmitarbeitern hören Datenschutz Consultants des Öfteren den frustrierten Ausruf „Wir würden gerne (werben / akquirieren, etc…)  aber der Datenschutz verbietet es ja“.

Diese Pauschalaussage ist in den meisten Fällen unzutreffend bzw. unbegründet. Um sie aufgrund der in diesem Zusammenhang bestehenden Regelungsvorgaben nicht zu einer unfreiwilligen Kapitulationserklärung werden zu lassen, soll im Folgenden aufgezeigt werden, OB bzw. WAS der Datenschutz eigentlich genau verbietet, WIE werbliche Handlungen zulässig gestaltet werden können und WELCHE weiteren Vorgaben beachtet werden müssen, um auf der rechtlich sicheren Seite zu agieren. Es geht also um die Frage, ob wirklich nur „der Datenschutz“ das Thema der werblichen Ansprache von privaten und gewerblichen Abnehmern regelt.

Anhand der vorausgegangenen Einleitung steht bereits zu vermuten, dass die Behandlung des Themas eher etwas komplexer und vielschichtiger ausfallen wird. Ansonsten wäre sicherlich weniger Handlungsunsicherheit unter den beteiligten Entscheidungsträgern und Akteuren in den Unternehmen verbreitet. Diese Unsicherheit mag der Grund dafür sein, dass werbliche Ansprachen unter Inkaufnahme (oftmals vermeidbarer) rechtlicher Risiken in unzulässiger Weise betrieben werden. Es stellt sich zudem die Frage, ob diese Form der als unzulässig erkennbaren Werbung nicht als Belästigung durch die Adressaten (Betroffenen) wahrgenommen und somit sogar eine gegenteilige Wirkung bei ihnen ausgelöst wird in Form von negativer Imagebildung.

Als Ergebnis soll vorweggenommen werden, dass die Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit der werblichen Ansprache durchaus beherrschbare, d.h. in der täglichen Praxis anwendbare Lösungen beinhaltet. Bei deren Findung und Umsetzung ist die Mitarbeit des Datenschutzbeauftragten des Unternehmens oder eines vergleichbar qualifizierten Beraters alternativlos. Bei dessen Begleitung des Umsetzungsprozesses kommt es entscheidend auf seine vorhandene Detail-Expertise in den einschlägigen Rechtsgebieten Datenschutz und Wettbewerbsrecht an. Nur wenn das benötigte Know-how verfügbar ist, lassen sich die Verhängung von Bußgeldern nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aufgrund unerlaubter Datenverarbeitungen und/oder wettbewerbsrechtliche Abmahnungen bzw. Unterlassungserklärungen wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bestmöglich vermeiden.

 

Was muss beachtet werden?

Wir erinnern uns an die Pauschalaussage: „Der Datenschutz verbietet…!“ Und diese Aussage stimmt bis dahin tatsächlich; die DSGVO als im Europarecht verankerte übergeordnete Rechtsnorm ist eine reine Verbotsverordnung, die zunächst generell jede Form der Datenverarbeitung untersagt. Dieses Verbot gilt jedoch nur in den Fällen, in denen KEINE Rechtsvorschrift die geplante Verarbeitung erlaubt.

Für einen potenziellen Werbetreibenden empfiehlt sich daher ein Blick auf die in Art. 6, Abs. 1, Buchstaben a – f DSGVO angegebenen Rechtsgrundlagen, von denen sicherlich mindestens eine die Datenverarbeitung im Kontext der werblichen Ansprache für zulässig erklären wird (sonst wäre Werbung per se immer verboten). Tatsächlich lassen sich unter dem Artikel 6 sogar zwei Rechtsgrundlagen finden, die grundsätzlich Anwendung finden könnten bzw. unter bestimmten Umständen angewendet werden müssen. Es sind dies

Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe a DSGVO – die Einwilligung des Betroffenen (hier: in die werbliche Ansprache)

 

und

Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe f DSGVO – das berechtigte Interesse des Verantwortlichen (in diesem Fall das wirtschaftliche Interesse des Verantwortlichen), welches durch die werbliche Ansprache unterstützt bzw. gewahrt werden soll.

 

Von den noch verbleibenden vier weiteren in Artikel 6, Abs. 1 DSGVO benannten Möglichkeiten zur Begründung der Rechtmäßigkeit spielen im Zusammenhang mit der geplanten werblichen Ansprache drei Rechtsvorschriften (Buchstaben c, d & e) keine Rolle und werden folglich nicht weiter thematisiert.

 

Allerdings werden wir uns am Ende dieses Beitrags noch dem Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe b DSGVO (Datenverarbeitung zur Erfüllung (vor-)vertraglicher Maßnahmen) zuwenden und prüfen, ob sich eine ursprünglich als werbliche Ansprache geplante Datenverarbeitung nicht auf die Grundlage einer Vertragserfüllung stützen lässt*.

Zwischenfazit: „Der Datenschutz“, also die einzuhaltenden rechtlichen Vorgaben der DSGVO, bietet grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um die Zulässigkeit der Datenverarbeitung im Rahmen der werblichen Ansprache darzulegen.

Bei geplanter Anwendung der zwei Rechtsgrundlagen sind allerdings weitere einschlägige Vorgaben zu berücksichtigen. So sind z.B. die formalen Anforderungen an eine rechtswirksam erteilte Einwilligung als hoch einzustufen (siehe Artikel 7 DSGVO). Und wer sich als Werbetreibender (Verantwortlicher) auf sein bestehendes berechtigtes (wirtschaftliches) Interesse berufen möchte, der muss sicherstellen, dass er damit NICHT sein Interesse über das Interesse des Betroffenen stellt oder damit sogar dessen Grundrechte und Grundfreiheiten verletzt. Diese Einschränkung bedingt das Durchführen einer nachvollziehbaren, dokumentierten Interessenabwägung, die „zugunsten“ des Verantwortlichen ausfallen muss. Insbesondere hierbei unterstützt Sie Ihr Datenschutzbeauftragter.

Die werbliche Ansprache unterliegt jedoch nicht nur datenschutzrechtlichen Vorgaben!

Werbetreibenden ist oftmals nicht bewusst, dass die werbliche Ansprache von privaten und gewerblichen Abnehmern in Deutschland maßgeblich durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt ist. Als Spezialgesetz ist es im Vergleich zur DSGVO wesentlich älter und galt schon zu Zeiten des BDSG (alt). Das eine Verletzung der Vorgaben des UWG unweigerlich auch einen datenschutzrechtlichen Verstoß gegen Artikel 6 DSGVO beinhaltet und weil dieser Verstoß nach Artikel 83, Abs. 5, Buchstabe. a DSGVO mit einem Bußgeld von mehr als 20 Millionen Euro belegt werden kann, hat vermutlich mit dazu beigetragen, dem Datenschutz den Ruf als Marketingbremse einzutragen.

In § 7 UWG, überschrieben mit unzumutbare Belästigungen (hier: in Form der werblichen Ansprache), wird äußerst detailliert ausgeführt,

 

– welche rechtliche Vorgabe

– bei werblicher Ansprache von entweder privaten oder gewerblichen Abnehmern

– unter Berücksichtigung des Kommunikationsweges (Post, Telefon/SMS, E-Mail)

einzuhalten ist.

Bitte halten Sie sich vor Augen, dass grundsätzlich jede Information, die Sie zu versenden beabsichtigen, gerichtlich als werbliche Ansprache angesehen werden wird.

An dieser Stelle stellt sich dem Verantwortlichen konkret die Frage, „benötige ich zur Begründung der Rechtmäßigkeit die Einwilligung des Betroffenen oder kann ich sie auf mein überwiegendes berechtigtes Interesse stützen?“.

Nunmehr wird es noch komplexer, denn der § 7 UWG beinhaltet

  • eindeutige Vorgaben in Abhängigkeit von verschiedenen möglichen Ausgangsituationen
  • Ausnahmetatbestände, die eine Einwilligung des Beworbenen nicht mehr erfordern.

Beispielszenario: Der Verantwortliche (z.B. Betreiber eines Gärtnerservices oder ein Reifenhändler) will einen E-Mail-Newsletter an bestehende Kunden versenden. Mit diesem Newsletter will er erreichen, dass die Empfänger mit ihm frühzeitig Termine vereinbaren (z.B. Beschneiden der Obstbäume, Wechsel der Sommer- und Winterräder, etc…), damit „für beide Seiten bestmögliche Planungssicherheit  besteht“ (das ist natürlich und ohne Zweifel werbliche Ansprache durch-und-durch). Eine Einwilligung seitens der Kunden zur Verwendung ihrer E-Mail-Adresse für Werbung liegt ihm nicht vor.

Frage: (WIE) ist die Aktion rechtlich zulässig umsetzbar?

Folgendes gilt:

  • Das Versenden von Newsletter per E-Mail bedingt sowohl bei privaten als auch gewerblichen Empfängern immer das Vorliegen einer rechtswirksam erteilten Einwilligung*
  • Das Versenden von Newslettern ist immer und unter allen Umständen als werbliche Ansprache zu sehen**
  • Eine Werbeeinwilligung für den konkreten Verwendungszweck der E-Mail-Adresse liegt nicht vor, damit ist offensichtlich auch keine zutreffende Rechtsgrundlage für die geplante Verarbeitung gegeben und die Aktion insgesamt als unzulässig anzusehen

Aktion abblasen oder bietet sich eine Möglichkeit mit * und mit **?

Unter * sollen die vier Ausnahmetatbestände des § 7, Absatz 3 UWG verstanden werden, die alle zusammen erfüllt sein müssen, damit die Verarbeitung nach dem UWG UND auch nach der DSGVO als rechtmäßig angesehen werden kann; bei der DSGVO greifen wir anstelle der nicht vorhandenen Einwilligung auf das bestehende berechtigte Interesse des Verantwortlichen zurück (Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe f DSGVO).

Hört sich logisch und schlüssig an? Vergessen wir die vier Ausnahmetatbestände des § 7, Abs. 3 UWG nicht! Spätestens für die zutreffende Beurteilung, ob diese vier Ausnahmetatbestände wirklich erfüllt sind, sollte Experten-Rat eingeholt werden.

Bleibt noch ** und an dieser Stelle der Verweis auf den bereits oben kurz vorgestellten Artikel 6, Abs. 1, Buchstabe b DSGVO (die Datenverarbeitung ist erforderlich zur Erfüllung (vor-)vertraglicher Maßnahmen).

Denn: Die wenigsten Verantwortlichen werden sich darüber bewusst sein, dass Aktionen, die ohne weiteres Zutun zwangsläufig als „werbliche Ansprache“ eingeordnet werden müssen, sich unter Umständen auch als sog. „vertragliche Hauptpflicht“ formulieren lassen könnten. In Bezug auf das vorbenannte Beispiel des Newsletter-Versands wäre es möglich (sofern wirklich ein konkreter Vertrag zugrunde liegt), die angestrebten Terminvereinbarungen als eine vom Verantwortlichen regelmäßig zu erfüllende Vertragspflicht festzuschreiben.

Als Resümee kann festgehalten werden, dass sich durch die rechtzeitige Einbeziehung des benötigten (datenschutz-)rechtlichen Know-hows die meisten der für die Zukunft und mit ausreichend zeitlichem Vorlauf geplanten Aktionen in zulässiger Form darstellen lassen. Diese Aussage gilt nicht nur in Bezug auf die mit der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen des Unternehmens verbundenen Verarbeitungstätigkeiten, sondern sie besitzt allgemeine Gültigkeit. Darüber hinaus erkennen immer mehr Unternehmen, dass sich die Zumessung eines hohen Stellenwertes für den Datenschutz für sie in mehrfacher Hinsicht im wörtlichen Sinne bezahlt macht. Verantwortlichen sei nachdrücklich der Rat ans Herz gelegt, richtig praktizierten Datenschutz als möglichen Wettbewerbsvorteil anzusehen und etwaig noch vorhandene Baustellen und Wissenslücken schnellstmöglich zu schließen.

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